Atemtherapie in der psychosomatischen Klinik - ein Praxisbericht

Fallbeispiel: Atemtherapie in Kombination mit Interventionen aus dem Familienstellen bei Angstattacken

Frau N. kam wegen Angstattacken und depressiven Zust'nden in die Klinik. Sie litt unter einer 'ngstlich vermeidenden Pers'nlichkeitsst'rung mit den typischen Symptomen: Sie f'hlte sich sozial unbeholfen, unattraktiv und minderwertig, hatte die gro'e Sorge, kritisiert und abgelehnt zu werden und eine Abneigung sich auf pers'nliche Kontakte einzulassen aus Furcht vor Missbilligung, Kritik und Ablehnung.

Frau N. nahm in der Atemtherapie an vier Einzel- und zehn Gruppenstunden teil. Gleich in der ersten Gruppenstunde waren schon ihr innerer Widerstand und ihre Angst angesprochen. Ich hatte angeboten, durch den Raum zu gehen, die F''e zu sp'ren und gehend auch die anderen wahrzunehmen. Frau N. blieb pl'tzlich stehen und sagte: 'das kann ich nicht machen, das geht nicht'. Im Gespr'ch stellte sich heraus, dass sie Angst hatte, sich zu sp'ren. Ich beriet mich mit der behandelnden Psychologin und schlug Frau N. in der n'chsten Stunde vor, sich sehr ernst zu nehmen mit dieser Angst und genau zu sp'ren, wo die Grenzen sind. Bei einem folgenden Angebot im Liegen sp'rte sie zum ersten Mal Wut bei der Einladung, sich selbst zu ber'hren. Ausgel'st von dieser Wut konnte sie im Nachgespr'ch aussprechen, dass sie einen Schutzmantel aus Fett um sich habe ' Frau N. ist adip's ' und dass sie glaube, minderwertig, unattraktiv und unbeholfen zu sein. Die n'chsten drei Gruppenstunden waren diese Grenzen ihr Thema und sie war motiviert und angstfreier dabei, probierte sich aus, begann sich zu sp'ren und auch ihren Ekel und ihre Wut anzunehmen, die regelm'ssig in den Atemstunden ber'hrt wurden.

Da Frau N. so einen guten Zugang zur Atemtherapie hatte, schlug ich im Team vor, sie mit Atembehandlungen zu unterst'tzen. In der ersten Einzelstunde war wieder die Ambivalenz da: Sie wollte und sie wollte nicht. Das war das Feld der Stunde. Wieder ging es um die Grenzen und darum, dass sie sich ernst nimmt und anf'ngt, sich zu trauen, ohne das Miss-trauen wegzuschieben. Das Ziel f'r diese Behandlung war: herantasten, was Ber'hrung f'r sie bedeutet. Was ist eine gute Ber'hrung' Was ist eine schlechte Ber'hrung' Frau N. entschied sich, sich auf die Behandlungsbank zu legen. Sie war sehr aufgeregt, was sie besonders im Magen wahrnehmen konnte. Sie legte sich auf den R'cken und ich legte meine H'nde auf ihre Schienbeine. Das war zun'chst der einzig m'gliche Ort. Ihre Aufregung breitete sich aus vom Magen hinauf zum Herzklopfen und zu einem schellen, flachen Atem. Ich bot ihr an, ihre eigene Hand zur Beruhigung auf den Magen zu legen. Das konnte sie annehmen und in der Folge ebbte auch das Herzklopfen ab und ihr Atem wurde etwas tiefer und ruhiger. Ich legte meine Hand zur Unterst'tzung auf ihre, die auf dem Magen lag. Da kamen die Traurigkeit und Tr'nen. Frau N. konnte damit in Kontakt bleiben, bis sich dieses Gef'hl nach etwa zehn Minuten in einen ruhigen, gelassenen Atem hinein l'ste.

W'hrend der n'chsten Gruppenstunde konnte sie bei sich bleiben und auch die Angebote, sich zu ber'hren gut annehmen. In der zweiten Einzelsitzung erz'hlte sie freudestrahlend, dass sie sich selber an den Beinen besser ber'hren k'nne, dass es ihr sogar Freude gemacht habe, sich einzucremen. Das sei nicht automatisch gewesen, wie sonst. Als Kind habe sie Ber'hrung nur 'ber Schl'ge erfahren. Da habe sie sich sowieso 'berfl'ssig, ungewollt und ungeliebt gef'hlt. Frau N. ist bei ihrer Mutter aufgewachsen, die st'ndig wechselnde Liebhaber gehabt hatte. Ihren Vater kennt sie nicht. Als die Erinnerungen an die Schl'ge der Mutter kamen, bot ich ihr eine Intervention aus dem Familienstellen an. Als sie zustimmte, bat ich sie, ihre H'nde auf das Herz zu legen und sich dort zu sp'ren. Als sie in Kontakt mit sich war, ihren Atem und ihren Herzschlag sp'rte, lie' ich sie den Kopf senken und die Augen schlie'en und bat sie, sich vor ihrem innern Auge ihre Mutter vorzustellen. Die Mutter schaute sie nicht an. Ich frage Frau N., ob ich sie ber'hren d'rfe. Als sie bejahte, legte ich meine Hand zur Unterst'tzung zwischen ihre Schulterbl'tter auf den hinteren Herzraum. Das tat ihr gut, st'rkte sie und erlaubte ihr, die Angst vor ihrer Mutter zu f'hlen. Sie konnte diesen Satz laut zur Mutter hin aussprechen: 'Mama ich habe Angst vor dir.' Sie musste den Satz noch zweimal laut wiederholen, bis die Mutter in ihrer Vorstellung endlich zu ihr hinsah und ihr zuh'rte. Dann konnte sie den n'chsten Satz sagen: 'Mama, ich sch'tze mich jetzt ein bisschen vor dir.' Als die Mutter auch das verstanden hatte, konnte Frau N. sich in Gedanken zur'ckziehen an einen sicheren Ort. Dort sp'rte sie wieder ihre H'nde auf ihrem Herzen, ihrem Atem, der ruhig ging und die Ber'hrung meiner Hand zwischen ihren Schulterbl'ttern. Sie 'ffnete die Augen und konnte mit mir in Kontakt gehen und gleichzeitig bei sich bleiben.

In den folgenden zwei Gruppenstunden verfestigte sich diese neue Kontaktm'glichkeit. Sie hatte einen neuen Zugang und Umgang mit sich gefunden. In der n'chsten Einzelstunde waren erstmals f'nfunddrei'ig Minuten Behandlung m'glich. Zu Anfang sp'rte sie Enge auf der Brust, ihr Atem war kurz, sehr oben und schnell. Sie konnte sich so annehmen und auch von mir ber'hren lassen. Verbal unterst'tzte ich sie, den Halt der Liege wahrzunehmen und sehr genau darauf zu achten, wann die Ber'hrung angenehm und wann unangenehm ist. Ich lie' sie die ganze Zeit zugedeckt, damit sie gesch'tzt ist. Zun'chst Abstreichen um die K'rpergrenzen deutlich zu machen. Da l'ste sich schon der erste befreiende Ausatem. Bei der anschlie'enden Behandlung der F''e konnte sie mehrmals spontan tief durchatmen. Bei der Behandlung von Nacken und Schultern stieg wieder Unruhe auf. Der Atem verdichtete sich, wurde schneller und sie sp'rte ein starkes Stechen in der linken Seite zum Bauchnabel hin. Sie konnte anwesend bleiben und diese Stechen durchatmen. Im Nachruhen legte sie selbst die Hand auf die stechende Stelle. Nach der Behandlung f'hlte sie sich, wie sie berichtete, ruhiger, gelassen und mehr bei sich. In den folgenden Stunden berichtete sie immer wieder, dass sie ihre Stimmungen besser wahrnehmen und ihren K'rper mehr annehmen k'nne und dass sie sich ber'hren k'nne ohne Angst und Ablehnung.