Atem und Tod
Ein Vortrag

Vortrag gehalten am 10.4.2016 im Atemhaus München
Mein Vortrag heißt: Atem und Tod
Aber ich werde die meiste Zeit über das Leben sprechen.
Denn Tod und Leben sind über/im Atem untrennbar miteinander verzahnt.
Ich bin inzwischen seit neun Jahren als Atemtherapeutin in der Palliativen Arbeit tätig (Klinik-und-Poliklinik-für-Palliativmedizin) und habe sehr viele Menschen über diese Schwelle vom Leben zum Tod begleitet und möchte einige der Erfahrungen die ich dabei gemacht habe, heute mit Ihnen teilen.
Und ich möchte Anregungen geben und vor allem Fragen stellen und zum eigenen Forschen anregen.

Der Atem - das Leben

Meine Lehrerin im Atem war Herta Richter (1925 – 2013).
Auf die Frage: was ist der Tod für dich' sagte sie:
Immer wieder hat er etwas ganz Unvorstellbares. Er ist immer in meinem Bewusstsein. Ich habe in einem unserer Gespräche von meiner Erfahrung der Gleich-Gültigkeit von Leben und Tod gesprochen. Jetzt, wo ich ihm näher komme, wird mir auch das große Geschenk des Entlassenwerdens aus der Leiblichkeit im Ausatem noch bedeutungsvoller, wenn ich mich in seinen Strom legen kann, mich tragen lasse. Ich habe es immer wieder erlebt, bewusst, und bitte darum, dass mich dieses Vertrauen in meinen letzten Ausatem trägt, – hinein in die andere Welt.
Eines meiner Lieblings-Haikus ist: „Am Ende meiner Reise ohne Ziel will ich fallen in Ginsterblüten.
(Aus: Richter, Herta: Vom Wesen des Atems. Reichert Verlag Wiesbaden 2006, S. 135)

Den Atem bewusst erfahren
Ein Angebot zum Spüren und Lauschen

Bleiben Sie so sitzen, wie Sie grade sitzen und spüren Sie:
Wo berühren die Füße den Boden'
Wie sind die Unterschiede'
Wie fühlen sich Becken, Arme, Hände und Kopf an'
Die Gedanken und Gefühle wahrnehmen.

Die Wahrnehmung auf den Atem richten und realisieren, dass der Atem einfach kommt und geht solange wir leben, und dass das einfach geht, und wir es alle können ohne Übung.

Auf Atem sammeln. Sanft, nicht scharf wie bei der Konzentration. Sanft sammeln, eher weit werden – lauschen! – als verengen, eher empfinden als denken. Öffnen statt ausschließen. Das einlassen. Bereit für den Einatem. Bereit für den Ausatem. Bereit für die Atempause. Nichts tun, eher etwas lassen!

Mit dem inneren Auge das Lebendige sehen, nicht Symptome, Probleme, Krankheit

Dem lebendigen Atem Raum geben. Diese Schwingung fühlen. Ihr nachspüren. Wo ist es weit' Wo ist es eng' Das Atmen braucht niemand zu lernen. Jeder kann es von Anfang an. Es ist keine Methode. Wahrnehmen, daß ich das kann. Nur da sein damit. Lauschen.

Die Qualität des Lebendigen wahrnehmen in mir, die Berührung an den Innenwänden, die innere Bewegung. Tastend von innen. Mir dessen bewusst werden, daß ich das Leben in mir berühre damit und das Leben mich.

Mich immer mehr dem Atem überlassen, wie er ist, nicht wie er sein sollte. Kontrolle abgeben, nicht aufbauen. Die Krankheit kann auch nicht mehr kontrolliert werden! Nur die Symptome können gelindert werden. Annehmen! Vertrauend! Den Atem kommen und gehen lassen. Raum geben. Ich kann ja leben. Fließen lassen.

Spielen damit was passiert, wenn ich den Atem lasse wie er ist, wenn ich nichts mache, nichts beeinflusse nur dabei bleibe und wahrnehme.

Annehmen. Öffnen. Spüren wie der Atem fließt, wie er kommt und geht. Das Leben so nehmen wie es grade ist. Strömen lassen. Meiner eigenen Melodie, meinem eigenen Rhythmus lauschen. Mich nähren lassen mit Sauerstoff Energie. Einatmen und Ausatmen. Sterben. Ausatmen gehört dazu. Ausatmen, in die Pause hinein und vielleicht dort bleiben.

Die innere Aufmerksamkeit auf die fünf Qualitäten des Atems lenken:
1. Eingang/Ausgang (in der Nase)
2. Bewegung (weit/schmal)
3. Rhythmus (Ein Aus Pause)
4. Quantität (Menge, Volumen)
5. Qualität (Strömen, Fließen)

Sich Zeit lassen für das Nachspüren

Vom Nein zum Ja

Der erste Mensch, der in meinen Armen gestorben ist, war mein Vater. Das war im April 2007. Dieser Mann, der es gewohnt war, dass er immer die Kontrolle hatte – wie weich er geworden ist, wie voller Hingabe an das Lebendige im Sterben, wie tief sein letztes Ja war! Bei ihm sein zu dürfen in der Stunde seines Todes – ist so ein großes Geschenk, das ich es nicht sagen kann.
Durch ihn habe ich zum ersten Mal erlebt, was geschieht, wenn ein Mensch aus dem Leben scheidet – und wie eigentlich er mich Schritt für Schritt an die Hand genommen hat, dass ich ihn begleiten konnte.
So erlebe ich die atemtherapeutische Sterbebegleitung bis heute: da ist immer wieder dieses erschütternde Staunen über das, was in den letzten Stunden geschieht. Das Nicht-Wissen, Nicht-Verstehen und es doch irgendwie verstehen im Lauschen und Dasein, im Mitsein und Präsent bleiben – und was für ein unglaubliches Geschenk es ist, diesem Mysterium beiwohnen zu dürfen. Zeuge und Begleiter sein zu dürfen, dieser Wandlung vom sich dagegen sträubenden „Nein“ zum mitströmenden „Ja“.
Oder atemtherapeutisch ausgedrückt: die Wandlung von dem Atem, der unter Kontrolle gehalten werden soll zu dem Atem, der frei kommen und gehen kann, wie es not-wendig ist, ein und aus schwingen wie es die Situation erfordert, weil es so ist, wie es ist. Hin also zu dem Atem, der empfangen und angenommen wird, dem kein Widerstand mehr entgegen gesetzt wird, der fließen kann, völlig frei. Der ausströmen kann in die Atempause hinein. Ohne Druck.
Am Ende des Lebens kann sich der Atem dramatisch verändern. Dazu später mehr. Jetzt nur so viel: wer im „Ja“ sein kann, wird das nicht als Angst und Atemnot empfinden, wie ich es bei Menschen erlebt habe, die bis zum Schluss nicht wahr haben konnten/wollten, dass sie sehr bald sterben werden.

Gelebtes Leben - Gebunden an den Atem

Anhand eines Textes von Herta Richter, möchte ich mich der Frage von Atem und Tod annähern. Es ist ein Vortrag, den Herta Richter im Jahr 2000 vor angehenden Heilpraktikern in der Heilpraktikerschule Gauting gehalten hat:

Der Atem – das Leben
siehe auch Kasten rechts

Der erste Atemzug, eigenständiges Leben beginnt. – Der letzte Atemzug, die Seele verlässt den Körper. Die Spanne dazwischen ist unser gelebtes Leben, gebunden an den Atem.

Gelebtes Leben – eingespannt zwischen Leben und Tod, die untrennbar miteinander verzahnt sind: wenn ich vom Tod spreche, spreche ich gleichzeitig vom Leben und umgekehrt. Was wir so gerne vergessen wollen: Atem ist Leben – und immer auch zugleich Sterben.
Und was ist der Tod' Ist es Nicht Atem' Ist es nicht atmen'
Mit dem „letzten Atemzug“ meint Herta Richter sicherlich nicht nur den Einatem sondern den ganzen Atemzyklus von Ein-Aus-Pause.
Wir können bewusst erfahren, wie es vielleicht gerade in dem Atemangebot geschehen ist: Der Atem stellt alles bereit in seinen verschiedenen Phasen:
Einatmen: voll nehmen, annehmen, mich aussetzen was gegeben wird, empfangen
Ausatmen: abgeben, gehen lassen, lösen, auch gestalten, durchdringen, handeln
Pause: ruhen, still sein, lassen , geschehen lassen
Oder: Ein: (Wieder-)Geburt – Aus: Sterben – Pause: Wandel (Tod)

Der Tod tritt in der Atempause ein! Nicht im Ausatem sondern da, wo wir keinerlei Einfluss oder Kontrolle haben, was geschieht! Da, wo wir uns vollständig überlassen müssen. In der Dunkelheit.

Die Seele verlässt den Körper

Herta Richter spricht von der Seele, die den Körper verlässt. Wann dieser Zeitpunkt genau ist, ist eine offene Frage. Aber wahrscheinlich nicht im Einatmen, eher wird sie wohl ausgeatmet oder ausgehaucht.
Was könnte mit Seele gemeint sein' Ist die Seele, dasselbe, wie der Atem, der uns im Sterben verlässt' Ist sie der Lebenshauch' Den wir mit dem ersten Atemzug einatmen und mit dem letzten Ausatem ausatmen' Verlässt uns so das Leben' Ist das Sterben' Wenn der Lebensatem uns verlässt, nicht wieder zurück kommt aus der Atempause' Ist vielleicht Seele, Atem, Leben – Eins' Oder ist die Seele etwas anderes als Atem'
Schlüssige Antworten kann ich darauf nicht geben, aber die Fragen können vielleicht neue Räume öffnen.
Ich habe in der Bibel nachgeforscht in der griechischen Übersetzung für Atem, Seele, Geist finden sich hierzu Hinweise:
psyche: Atem, Leben, Geist, Seele (was den Menschen belebt)
pneuma: Windhauch, Geist, Lebensatem, Seele (der Lebensatem im Körper), Gesinnung (woher der Wind weht), Geistwesen (Lebensatem ohne Körper)
!! Der Lebensatem braucht nicht notwendig einen Körper.!!
Seele kann also einmal sein:
psyche: das was den Menschen im Innern belebt
und:
pneuma: Lebensatem der auch ausserhalb des Körpers sein kann.

Wann ist ein Mensch tot'

Nach dem letzten Ausatem ist der Mensch noch nicht tot: Viele Körperzellen leben noch lange weiter, manche wochen- bis monatelang: Haare und Fingernägel können sogar noch wachsen! Bis etwa 30 Minuten nach dem Individualtod kann es zu Stuhlgang kommen. Einige Stunden lang kann es supravitale (= über den Tod hinaus) Muskelreaktionen geben, z.B. an Augenlidern, Mund, Hand, Muskelwulst, sowie eine sogenannte Schnappatmung.
Der Sterbeprozess zieht sich über mehrere Stunden hin, da einzelne Körperzellen deutlich über den Tod hinaus weiterleben. Der klinische Tod ist gekennzeichnet durch Atem- und Kreislaufstillstand. Der Hirntod ist gekennzeichnet durch den irreversiblen Ausfall aller Hirnfunktionen. Der biologische Tod ist gekennzeichnet durch das Ende aller Organ- und Zellfunktionen.
In Medizin spricht man von verschiedenen Todeszeichen
Als unsichere Todeszeichen gelten: Atem- und Herz-Kreislaufstillstand, starre Pupillen, Abkühlung der Haut und Hautblässe: der sogenannte klinische Tod
Was mit dem Atem- und Herz-Kreislaufstillstand beginnt ist das Absterben der einzelnen Zellen, wobei nach etwa 10 Minuten als erstes die Gehirnzellen absterben wenn sie nicht mehr mit Sauerstoff versorgt werden.
Aktuelles Thema über Todeszeitpunkt: Organtransplantation. Als tot wird hier jemand erklärt, dessen Hirnfunktionen vollständig ausgefallen sind .Aber irreversible Schädigung des Gehirns durch Sauerstoffunterversorgung ist kein sicheres Todeszeichen, denn die Organe leben ja weiter.
Sichere Todeszeichen sind Leichenstarre (Rigor mortis) und Leichenflecken. Die sicheren Zeichen sind frühestens erst nach einer Zeitspanne von 30 Minuten bis zu 2 Stunden nach dem klinischen Tod zu beobachten. Zur Feststellung des eingetretenen Todes müssen die sicheren Todeszeichen auftreten: Totenstarre (Rigor mortis) Sie beginnt etwa 2 Stunden nach dem Tod am Kiefergelenk, geht von den oberen Extremitäten langsam in die unteren Gliedmaßen über. Die vollständig ausgeprägte Starre ist nach 6 bis 8 Stunden erreicht, nach etwa 2 bis 3 Tagen löst sie sich langsam wieder. Die Totenflecken (Livores) treten nach etwa 30 Minuten auf. Es sind Verfärbungen, die durch Ansammlung von Blut in abhängigen Körperpartien entstehen. In den ersten Stunden sind sie noch wegdrückbar, nach ungefähr 24 Stunden nicht mehr.

Die Spanne zwischen dem ersten und dem letzten Atemzug

Die Spanne zwischen dem ersten und dem letzten Atemzug ist unser gelebtes Leben gebunden an den Atem, schreibt Herta Richter.
Wie ist das zu verstehen'
Herta Richter erläutert in ihrem Text (Herta Richter: Der Atem – das Leben):
Das Kind, wenn es kommt, ist in aller Regel ungestört; der Atem vollzieht sich physiologisch – vegetativ, jedoch unbewusst. Noch hat die Erde mit ihrem Griff das Kind nicht gestört.
Sehr früh jedoch bringt das Leben seine Verletzungen, seelischer wie körperlicher Natur – und gerade in diesem ganz jungen Wesen wirken sich solche Verletzungen besonders gravierend aus. Die Lunge ist ein wesentliches Kontaktorgan zur Welt, die Antwort im Weltkontakt gibt der Atem, im Guten wie im Bösen. Im Guten – in der Liebe, Wärme, Umsorgtheit, in der ungestörten Atmosphäre kann der Atem leicht schwingen. Im Bösen – im Streit, im Lärm, in konfliktgeladener Atmosphäre wird das Kind sich zurückziehen in sein Inneres und der Atem wird kleiner, weniger schwingend, ängstlich, stockend, traurig.
Und das ist nicht nur so beim Kind. Hier jedoch ist schon der Ansatz zur Krankheit. Je nachdem, welchen Erfahrungen der heranwachsende Mensch ausgesetzt ist, kann sich diese Tendenz verstärken oder allmählich ablösen, zur Öffnung ins Leben hinein, zum Vertrauen.
Wir sehen, wie sofort und unwiderruflich der Atem mit dem Empfindungswesen des Menschen verbunden ist und die beiden aufeinander einwirken:
die Empfindung auf den Atem – der Atem auf die Empfindung.“

Ich-Atem und Lebens-Atem

Da bildet sich das Ich, der psycho-physische Stoff, wie wir Leben und Welt interpretieren, wie wir antworten, mitschwingen/dagegenhalten. Unser Bewusstsein, unsere Überzeugungen (Urvertrauen) etc. und wie sie wiederum unseren persönlichen Atem formen. … wie er individuell auf die Welt antwortet!! oder damit verbunden ist über den Atem in seinem Organismus (Psychosomatik!).
Dies ist eine Definition des Atems als individuell geformte Antwort/Reaktion auf das, was wir einatmen, d.h Atem wird auf das innere psychische Er-Leben eines bestimmten Menschen bezogen in Wechselwirkung mit dem Leben von aussen. Der Atem als das schwingende Band zwischen Körper Geist und Seele (Romano Guradini). Dieser Atem erscheint wie getrennt vom Leben, denn er kann sich dem Leben öffnen oder verschließen durch mehr oder weniger Schwingungsbereitschaft! im Inneren. Er ist unser ganz persönlicher Atem, unsere innere Antwort auf die Zumutungen der Welt .die bei jedem Menschen anders ausfällt.
Zur Verdeutlichung möchte ich diesen Atem hier den Ich-Atem nennen, oder auch das Atem-Ich. Vielleicht das das griechische psyche, verstanden als das was den Menschen im Innern belebt.
Solange wir leben, müssen wir diesen Welt Kontakt machen (Lunge wesentliches Kontaktorgan), ob wir wollen oder nicht. Wir können nicht nicht atmen, denn das würde den Tod bedeuten. Aber wir können den Atem und damit den Weltkontakt manipulieren.
Das ist sehr wichtig, weil dieses „Psycho-Physische Empfindungs-Ich“ , dieser Ich-Atem im Sterbeprozess eine so große Rolle spielt!! Wir sterben so, wie wir gelebt haben!! Die Atemantwort, die ich auf diese Zumutung, auf die unabwendbare Tatsache des Sterbens gebe, bestimmt den Ablauf meines Sterbeprozesses wesentlich mit.
Aber ich erlebe es immer wieder auch als tröstlich, dass bis zum letzten Atemzug mit jedem neuen Ausatem die Antwort auch jedes Mal neu und anders gegeben werden kann. Der nahende Tod ist ein großer Lehrmeister. Vielleicht der größte.
Ich lese Ihnen das Behandlungsbeispiel von Herrn Sch. vor, in dem diese Transformation deutlich wird.

Panik und Hingabe

Das Behandlungsbeispiel von Herrn Sch.

Was stirbt, wenn wir sterben'

Was passiert, wenn der individuelle Ich- Atem, das vorher definierte Psycho-physisches Empfindungs-Ich, also das Atem-Ich aufhört zu sein'
Was stirbt, wenn wir sterben'
Welches Leben stirbt' Welcher Atem stirbt'
Ich möchte noch einmal Herta Richters Bild aufgreifen von der Seele, die den Körper verlässt. Der Körper bleibt zurück, seine organischen Zellen sterben nach und nach ab, die Seele entschwindet – wohin' Lebt sie unabhängig vom individuellen Atem, vom Atem-Ich als universeller Lebensatem weiter'
Haben wir dann zwei verschiedene Atem (Leben) in uns' Den individuellen (Psyche) und den universellen Lebensatem (Seele)'
Noch mal Herta Richter zu Wort kommen lassen:
Es ist eine bekannte Tatsache: Ohne zu essen kann man ziemlich lange leben, auch ohne zu trinken eine geraume Zeit, aber ohne zu atmen nur sehr, sehr kurze Zeit. Die Inder sagen: Jedem Menschen sind nur so und so viele Atemzüge im Leben zubemessen. Es liegt an jedem einzelnen, wie er damit umgeht, ob er sie schnell vergeudet oder sie achtsam und gelöst/gelassen in sich bewegt.
Das heißt: es geht nicht nur darum, eben zu atmen, sondern sich seines Atems bewusst zu werden und gut mit ihm umzugehen. Dadurch entsteht die Qualität des Atems.”

Das Bewusstsein vom Atem

Das Bewusstsein vom Atem und der gute Umgang mit ihm beeinflusst die Qualität des Lebens in diesem Körper und ich möchte hinzufügen des Sterbens aus diesem Körper.
Wie kann das Leben/der Atem in mir schwingen' Achtsam, gelöst mich bewegen lassen' Offen im Austausch bleiben' mit Nehmen und Geben im Gleichgewicht sein' Mit Spannung und Lösung angemessen reagieren' ….
Kann ich mich vielleicht sogar wie eine Schwingtür erleben, durch die das Leben ein und aus geht und die immer so schwingt, wie es hindurch geht'
Der Wind bläst, wo er will, und du hörst sein Sausen wohl; aber du weißt nicht, woher er kommt und wohin er fährt. Also ist ein jeglicher, der aus dem Geist geboren ist. (Joh.3:8 Lutherbibel 1912)
sich seines Atems bewusst werden – könnte das auch heißen, dass wir ein Bewusstsein dafür bekommen könnten, dass das „ich“ , das Psycho-physische Empfindungs-Ich, also das Atem-Ich (atmende Ich) bereits im Leben nach jedem Ein-Atemzug im Ausatem stirbt' Und in der Atempause tot ist' Meistens wollen wir es nicht wahr haben, sind auf dem Auge blind und so wie das Auge fehlende Teile eines Bildes einfach durch Wahrscheinlichkeit, durch Interpretation ersetzt, so ersetzen wir vielleicht auch den permanenten Tod (und die Wiedergeburt) im Leben durch vorgestellte Kontinuität.
Aber der nahende Tod, diese unglaubliche Zumutung kann auch eine vollkommene, lebendige Entwicklungschance sein: er kann uns zu einer Transformation bringen, in der wir erkennen, dass Lunge viel mehr ist als ein Kontaktorgan und Gehirn viel mehr ist, als eine Interpretations- und Kontrollorgan und unser Körper viel mehr ist als ein Instrument des Atems (Lebens), des Atem-Ichs.
Es kann die Erkenntnis dämmern, dass wir das Leben selbst sind, der Lebens-Atem selbst, der den Tod beinhaltet! Der schon da war, bevor wir geatmet haben, denn wir haben ihn ja bekommen beim ersten Einatmen und der noch da ist, wenn wir nicht mehr unseren Teil davon ein- und ausatmen können. Vielleicht sind wir wie der Wassertropfen, der das ganze Meer ist. Wir sind der Ozean. Wir sind der Atem, der überall und alles ist, der gar nicht sterben kann, in den wir unsere Atem-Ich und den Ich Atem aber hineinfließen lassen können.
In der Bibel wird der Atem mit dem heiligen Geist in Verbindung gebracht: Wisset ihr nicht, dass eure Leib ein Tempel des heiligen Geistes ist' (Paulus im 1. Korinterbrief 6,19f.). Herta Richter hat in einem Workshop mal übersetzt: wisset ihr nicht, dass euer Leib ein Tempel des heiligen Atems ist'

Bis an die Schwelle begleiten

Die atemtherapeutische Begleitung des Herrn A.:

Der Atem -das Leben
Herta Richter 2000
Ein Auszug

Der erste Atemzug, eigenständiges Leben beginnt. – Der letzte Atemzug, die Seele verlässt den Körper. Die Spanne dazwischen ist unser gelebtes Leben, gebunden an den Atem.
Es ist eine bekannte Tatsache: Ohne zu essen kann man ziemlich lange leben, auch ohne zu trinken eine geraume Zeit, aber ohne zu atmen nur sehr, sehr kurze Zeit. Die Inder sagen: Jedem Menschen sind nur so und so viele Atemzüge im Leben zubemessen. Es liegt an jedem einzelnen, wie er damit umgeht, ob er sie schnell vergeudet oder sie achtsam und gelöst/gelassen in sich bewegt.
Das heißt: es geht nicht nur darum, eben zu atmen, sondern sich seines Atems bewusst zu werden und gut mit ihm umzugehen. Dadurch entsteht die Qualität des Atems.
Das Kind, wenn es kommt, ist in aller Regel ungestört; der Atem vollzieht sich physiologisch – vegetativ, jedoch unbewusst. Noch hat die Erde mit ihrem Griff das Kind nicht gestört. Sehr früh jedoch bringt das Leben seine Verletzungen, seelischer wie körperlicher Natur – und gerade in diesem ganz jungen Wesen wirken sich solche Verletzungen besonders gravierend aus.
Die Lunge ist ein wesentliches Kontaktorgan zur Welt, die Antwort im Weltkontakt gibt der Atem, im Guten wie im Bösen. Im Guten – in der Liebe, Wärme, Umsorgtheit, in der ungestörten Atmosphäre kann der Atem leicht schwingen. Im Bösen – im Streit, im Lärm, in konfliktgeladener Atmosphäre wird das Kind sich zurückziehen in sein Inneres und der Atem wird kleiner, weniger schwingend, ängstlich, stockend, traurig.
Und das ist nicht nur so beim Kind. Hier jedoch ist schon der Ansatz zur Krankheit.
Je nachdem, welchen Erfahrungen der heranwachsende Mensch ausgesetzt ist, kann sich diese Tendenz verstärken oder allmählich ablösen, zur Öffnung ins Leben hinein, zum Vertrauen.
Wir sehen, wie sofort und unwiderruflich der Atem mit dem Empfindungswesen des Menschen verbunden ist und die beiden aufeinander einwirken:
die Empfindung auf den Atem – der Atem auf die Empfindung.
Wir sind also in der Betrachtung des Atems immer sofort in der Betrachtung des ganzen Menschen.

Wenn Sie der ganze Vortrag interessiert, er steht auf der Webseite des Atemhauses München: www.atemhaus.de